Lukas / Dahl (Hrsg.), Mitbestimmung in
sozialen Angelegenheiten – Arbeitszeit und Urlaub, 1. Auflage, Recht und
Wirtschaft 2016
Von Ass. iur. Fabian Bünnemann, LL.M., Essen
Die
Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten ist eine der zentralen Kompetenzen
von Betriebsräten. Gerade in einer Zeit, in der die Arbeitsbedingungen einem
fortschreitenden Flexibilisierungsprozess ausgesetzt sind – allen voran in den
sehr relevanten Bereichen Arbeitszeit und Urlaub – erscheint nahezu jede
Auseinandersetzung mit den Mitbestimmungsrechten erkenntnisbringend. Dabei ist
gerade im Arbeitsrecht sehr oft die Perspektive entscheidend, aus der konkrete
Problemfelder, Streitpunkte und auch Herangehensweisen beleuchtet werden.
Das vorliegende
Werk von Roland Lukas und Holger Dahl widmet sich der
Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten, stellt aber „Arbeitszeit und Urlaub“
in den Fokus. Das dabei entstandene Werk ist mit rund 600 Seiten sehr
umfangreich ausgefallen. Dabei legen die Herausgeber einen besonderen Ansatz
zugrunde. Das Buch soll als Praxishandbuch dienen – aus Arbeitnehmer- und aus
Arbeitgeberperspektive. Dies wird dadurch erreicht, dass im Hauptteil des
Buches zu jedem Problemfeld zunächst die Sichtweise des Arbeitgebers und sodann
diejenige des Betriebsrates dargestellt werden. „Nicht die gerichtliche
Entscheidung“ soll im Mittelpunkt stehen, „sondern die jeweiligen Interessen
der Betriebsparteien und deren Lösungsansätze.“ (S. V). Dieser Ansatz erklärt
sich bereits aus der Tätigkeit der Herausgeber, die gemeinsam ein auf
Konfliktlösungen spezialisiertes Unternehmen betreiben. Dabei trägt die
Zusammensetzung des Autorenkreises, allesamt Praktiker, einen großen Anteil
daran, diese Herangehensweise in dem Buch umzusetzen.
Das Werk
gliedert sich insgesamt in sechs Kapitel. Zunächst werden auf sehr wenigen
Seiten die „Allgemeinen Grundsätze der Mitbestimmung in Arbeitszeit- und
Urlaubsfragen“ dargelegt (S. 1-3). Es folgen Ausführungen zu den
„Kontrollrechte[n] und –pflichten des Betriebsrates“ (S. 5-16) sowie zur
Personallogistik (S. 17-43). Das vierte Kapitel stellt sodann den Hauptteil des
Buches dar. Hier widmen sich die verschiedenen Autoren der Mitbestimmung in
Sachen Arbeitszeit und Urlaub (S. 45-563). Schließlich wird das Augenmerk noch
auf die Besonderheiten der „Einigungsstelle in Arbeitszeitfragen“ (S. 565-598)
sowie in aller Kürze auf die „Verstöße gegen Mitbestimmungsrechte“ (S. 599-605)
gelegt.
Das erste
Kapitel zu den „allgemeinen Grundsätzen“ fasst diese zwar knapp und prägnant
zusammen. Allerdings scheint dieses Kapitel lediglich eine gekürzte Fassung des
fünften Kapitels zu sein. Der Umfang des Mitbestimmungsrechts ist dort (E., Rn.
42-46) deutlich umfangreicher umrissen als im ersten Kapitel (A., Rn. 1). Freut
sich der Leser im gleich zu Beginn des Buches über in der Praxis oft wichtige
Ausführungen zur Zuständigkeit (A., Rn. 8-10), so wird diese Freude doch arg
getrübt, wenn erst im fünften Kapitel die ausführliche Version zu lesen ist
(E., Rn. 47-54). Gleiches gilt für die Abschnitte zum Gesetzes- und
Tarifvorrang (A., Rn. 5-7; E., Rn. 55-63) sowie zum Initiativrecht des
Betriebsrates (vgl. nur A. Rn. 4; E., Rn. 68). Wenngleich es sinnvoll
erscheint, bereits zu Beginn des Buches den Anwendungsbereich der
Mitbestimmungsrechte zu umreißen, so wäre es in einer Folgeauflage ratsam, den
entsprechenden Bereich des fünften Kapitels (oder gar das ganze Kapitel) an
Stelle des ersten Kapitels zu setzen. In der momentanen Fassung erscheint das
erste Kapitel als bloßes Füllmaterial.
Im Anschluss
widmet sich Mückenberger den
Kontrollrechten- und Pflichten des Betriebsrates (B.). Dabei hebt sie hervor,
dass zwischen arbeitszeitrechtlichen Fragen i.S.d. Arbeitszeitgesetzes, solchen
i.S.d. Betriebsverfassungsgesetzes sowie solchen hinsichtlich der Vergütung zu
differenzieren ist (B., Rn. 1). Dieser interessante und sensibilisierende
Gedanke erscheint im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand des Buches
äußerst wichtig. Sodann widmet sich die Autorin den Kontrollrechten nach dem
Betriebsverfassungsgesetz, wobei auch hier ein Plädoyer für einen konstruktiven
Umgang der Betriebsparteien nicht fehlt (B., Rn. 26, 34).
Unter C. stellt Romeister die Grundzüge der
Personallogistik dar. Dieser sehr gut verständliche „Crash-Kurs“ klärt Begriffe
(C., Rn. 1-9) und zeigt die Eckpunkte einer jeden Arbeitszeitbedarfsermittlung
auf. Der Nutzen dieses Kapitels ist dabei auch für das weitere Verständnis der
im Buch dargestellten Interessenlagen nicht zu unterschätzen. Dabei sind es die
Beispiele (vgl. nur Rn. 11, 19, 22, 26, 32), anhand derer der Autor die
Probleme veranschaulicht, die diese Ausführungen so lesenswert machen.
Es folgt der
Hauptteil des Buches (D.). In diesem behandeln verschiedene Autoren das jeweils
gleiche Problemfeld zunächst aus Arbeitgeber- und anschließend aus
Betriebsratsperspektive. Diese sehr ergiebige Behandlung, insbesondere der
arbeitszeitrechtlichen Themenkomplexe, überzeugt voll und ganz. Die dem Buch
zugrunde liegende Konzeption führt dazu, Herangehensweisen nicht nur aus der
„eigenen“, sondern auch aus der „gegnerischen“ Perspektive kennenzulernen und
die dahinter liegenden Interessen zu verstehen. Beispielhaft sei auf die
Ausführungen zur „Nutzung von Laptop, Smartphone, iPad, Remotezugängen in der
Freizeit“ verwiesen (S. 270 ff.). Zunächst beleuchtet Drosdeck diesen Bereich aus Arbeitgebersicht. Er kritisiert die
mangelnde Flexibilität des Arbeitszeitrechts. So stelle unter anderem die
Ruhezeitenregelung des § 5 ArbZG die Arbeitgeber „vor dem Hintergrund moderner
Kommunikations- und Arbeitsmittel vor eine große Herausforderung“ (S. 278). Weder hingegen fordert eine
Betriebsvereinbarung zwecks Klarstellung, dass keine „Verpflichtung zur Nutzung
der mobilen Geräte außerhalb der Arbeitszeiten“ besteht (S. 299). Das dahinter
liegende Interesse, der Schutz der Arbeitnehmer, wird hier selbstverständlich
deutlich höher gewichtet.
Sodann stellt Dahl die Grundlagen der Einigungsstelle
in Arbeitszeitfragen dar (E.). Dabei soll zweierlei hervorgehoben werden:
Zunächst ist die Darstellung der „Basics“ (E., Rn. 1-41) zur Einigungsstelle
sehr gelungen und auch mit dem Thema nicht allzu vertrauten Lesern zu
empfehlen. Auch hier legt der Autor an den erforderlichen Stellen den Fokus auf
die arbeitszeit- und urlaubsrechtlichen Besonderheiten (vgl. nur E., Rn. 46).
Zweitens ist die ausführliche Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung zu
vorsorgenden Regelungen für Eilfälle (Rn. 82-90) sowie die anschließende
Einordnung für die Handhabung in der Praxis (Rn. 91-93) sehr erkenntnisreich.
Im
abschließenden sechsten Kapitel setzt sich Löbig
mit Verstößen gegen Mitbestimmungsrechte auseinander (F.), was allerdings
aufgrund der hierfür verwandten knappen Seitenanzahl nicht über allgemeine
Erkenntnisse hinauszugehen vermag und insofern eher die Funktion eines Fazits
einnimmt.
Insgesamt
überzeugt das Buch trotz kleinerer Mängel durch die besondere Konzeption, die
auch in anderen Bereichen des Arbeitsrechts sicherlich interessant wäre. Das
Werk ist dadurch sowohl Arbeitnehmer- als auch Arbeitgebervertreten sowie
Betriebsräten und Unternehmensjuristen ans Herz zu legen. Insbesondere ist die
Beleuchtung der Interessen und Herangehensweisen aus den verschiedenen
Perspektiven der Regelung von Mitbestimmungsfragen unverzichtbar, wenn erfolgreiche
Verhandlungsergebnisse erzielt werden sollen. Hervorzuheben ist die vielerorts
zu findende Veranschaulichung von Problemen. So werden komplexe Fragen auf
konkrete Beispiele des Betriebs heruntergebrochen und gerade dadurch sehr
verständlich dargestellt. Auch für Studierende im Schwerpunktbereich oder
Referendare kann das vorliegende Werk einen großen Mehrwert bieten, wenn sie
sich mit den verschiedenen Interessenlagen im Rahmen der betrieblichen
Mitbestimmung auseinandersetzen mögen. Zuletzt sei den Herausgebern angeraten,
für eine Folgeauflage die Kompatibilität der Kapitel zu überprüfen (s.o.) sowie
die Vergabe der Randnummern zu überdenken. Dass gerade im vierten Kapitel
ständig eine neue Randnummerierung beginnt, verkompliziert unnötig das Zitieren
des Werks.