Von Rechtsanwalt
Marc Becker, Leipzig
Die Kosten des Betriebsrates sind – da sie allein
vom Arbeitgeber zu tragen sind – steter
Anlass für betriebliche Auseinandersetzungen und Beschlussverfahren. Verschärft
wird dies dadurch, dass die zentrale Anspruchsgrundlage - § 40 Abs. 2 BetrVG –
besonders allgemein gehalten ist. Somit stehen Art und Umfang der
Kostentragungspflicht immer wieder zur Diskussion. Das vorliegende Werk
unternimmt den Versuch, die einzelnen Ansprüche zu kategorisieren und
praxistauglich die Tatbestände zu veranschaulichen.
Das Werk ist im C.H. Beck Verlag erschienen und fügt
sich in die „grüne Reihe“ ein, in welcher relativ kurz gehaltene Praxisbücher
zu ausgewählten Einzelthemen oder Themenkomplexen des Arbeitsrechts erscheinen.
Der reine Textteil umfasst hier 162 Seiten. Außerdem ist ein umfangreiches
Stichwortverzeichnis enthalten. Der Autor selbst ist Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Arbeitsrecht in Köln.
Inhaltlich ist das Buch in mehrere Kapitel
unterteilt, die zum einen die individuellen Ansprüche des einzelnen Betriebsratsmitgliedes
und zum anderen die Ansprüche des Betriebsrates als Organ betreffen. Ein kurzer
Abschnitt ist jeweils der allgemeinen Einleitung zum Grundsatz der
Kostentragung, den Streitigkeiten über die Kosten sowie der Rechtsstellung und
Haftung des Betriebsrates gewidmet.
Umfangreich ist zunächst der Abschnitt zur
Arbeitsbefreiung der Betriebsratsmitglieder gem. § 37 Abs. 2 BetrVG. Die
Arbeitsbefreiung ist insofern ein Kostenfaktor der Betriebsratsarbeit, als dass
den Betriebsratsmitgliedern die Dauer der Arbeitsbefreiung (grundsätzlich) wie
Arbeitszeit zu vergüten ist. Im Übrigen ist das Betriebsratsamt ein Ehrenamt. In
diesem Zusammenhang arbeitet der Autor heraus, wann eine vergütungspflichtige
Arbeitsbefreiung vorliegt, d.h. wann die Erfüllung von Betriebsratsaufgaben i.S.v.
§ 37 Abs. 2 BetrVG vorliegt. In diesem Kapitel ist mir bereits erstmals
aufgefallen, dass das Buch aus meiner Sicht sein volles Potential als
Praxishandbuch nicht ausschöpft. So wird unter Rn. 60 darauf verwiesen, dass
die Wahrnehmung von Gerichtsterminen zu den Aufgaben des Betriebsrates gehört,
wenn er selbst Partei bzw. Beteiligter des Verfahrens ist. Diese Information
erhält man auch aus einem Kommentar. Ein Mehrwert für die Praxis würde sich
dann ergeben, wenn der Autor hier z.B. dazu Stellung nehmen würde, wie viele
BR-Mitglieder bei einem mehrköpfigen Betriebsrat an Gerichtsverhandlungen
teilnahmeberechtigt sind. In der Praxis ist diese Frage nicht selten
anzutreffen, wenn neben der oder dem Vorsitzenden zumindest noch ein weiteres
Mitglied teilnehmen möchte und der Arbeitgeber hiergegen Einwände erhebt.
Soweit ersichtlich, existiert hierzu bislang keine gefestigte Rechtsprechung.
Allerdings wäre hier – für eine hohe Praxistauglichkeit – eine Stellungnahme,
jedenfalls aber eine Argumentationsgrundlage wünschenswert gewesen.
Das nächste Kapitel befasst sich dann kurz mit der
konkreten Vergütung der Betriebsratsmitglieder, d.h. wie deren Lohn nach dem
sog. Lohnausfallprinzip im Einzelnen zu berechnen ist. Hervorzuheben ist, dass
der Autor besonderen Vergütungsformen (Provision, Akkordlohn etc.) jeweils einen
kurzen Abschnitt widmet. Gut gefällt mir vor allem der Abschnitt zur Anwendung
von Arbeitszeitkonten. Allerdings greifen die Darstellungen auch hier für ein
echtes Praxishandbuch wiederum zu kurz. Gerade bei den verschiedenen denkbaren
Formen von variablen Vergütungsbestandteilen würde sich eine (alphabetische)
Auflistung nebst Stellungnahme (ob diese auch bei der zu vergütenden
Betriebsratstätigkeit zu berücksichtigen sind) und jeweils ein Eintrag im
Stichwortverzeichnis anbieten. Beispielhaft sei hier genannt, dass zwar
„Trinkgeld“ im Fließtext kurz behandelt wird, ein Eintrag im
Stichwortverzeichnis aber fehlt.
Zu finden ist solch eine Auflistung bzw.
Unterteilung dann ab S. 62 zu konkreten Sach- und Personalkosten. Der Autor führt
einzelne Kostenpositionen auf und stellt unter Auswertung der Rechtsprechung dar,
auf was und in welchem Umfang die Betriebsräte einen Anspruch haben. Diese
Darstellung ermöglicht gerade in der Praxis einen schnellen Zugriff bei
Einzelfragen und gibt entsprechende Fundstellen für eine etwaige streitige
Durchsetzung an die Hand. Aus meiner Sicht würde sich diese Herangehensweise an
vielen Stellen im Buch anbieten.
Auch der Abschnitt zu den Kosten der gerichtlichen
und außergerichtlichen Rechtsverfolgung hinterlässt einen zweigeteilten
Eindruck. Nicht überzeugend ist die Differenzierung zwischen Kosten für
Sachverständige (§ 80 Abs. 3 BetrVG) und der Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes
nach § 40 Abs. 1 BetrVG. Gerade für Rechtsanwälte stellt sich – insbesondere
bei der Verhandlung von Betriebsvereinbarungen – die Frage, nach welcher
Vorschrift die Kosten abgerechnet werden können. Entscheidend ist dies vor
allem dafür, ob eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber notwendig ist (§ 80 Abs.
3 BetrVG) oder ob der Betriebsrat den Rechtsanwalt von sich aus hinzuziehen
kann (so bei § 40 Abs. 1 BetrVG). Der Autor verweist hier darauf, dass der
Rechtsanwalt immer dann nicht mehr Sachverständiger sein kann, wenn er auch
Verhandlungen mit dem Arbeitgeber für den Betriebsrat führt. Damit würde eine
Kostenerstattung nach § 80 Abs. 3 BetrVG auch dann ausscheiden, wenn ein
Rechtsanwalt den Entwurf einer Betriebsvereinbarung prüft und den Betriebsrat
dann in der Verhandlung mit dem Arbeitgeber unterstützt. Nach der
Rechtsprechung des BAG kann ein Rechtsanwalt aber nur dann nicht als
Sachverständiger für einen Betriebsrat tätig werden, wenn „zwischen den Betriebsparteien ein konkreter Streit über das Bestehen
und den Umfang von Mitbestimmungsrechten hinsichtlich eines bestimmten
Regelungsgegenstands besteht“ (BAG, Beschl. v. 25.6.2014 – 7 ABR 70/12, NZA
2015, 629). Ein konkreter Streit liegt allerdings – so das BAG in der zitierten
Entscheidung (und zuvor: BAG, Beschl. v. 11.11.2009 - 7 ABR 26/08, NZA 2010,
353) erst bei Einschalten der Einigungsstelle bzw. des Arbeitsgerichts vor. Die
Beratung und Verhandlung bei Betriebsvereinbarungen kann mithin nach § 80 Abs.
3 BetrVG abgerechnet werden.
Hinsichtlich der Kosten eines Rechtsanwaltes für ein
Gerichtsverfahren beschränkt sich das Buch auf Aussagen, die ebenso schnell aus
einem Kommentar gewonnen werden können. Auch inhaltlich überzeugen die Aussagen
nicht vollends: Der Arbeitgeber hat die Kosten eines Rechtsstreites u.a. dann
nicht zu tragen, wenn dieser „aussichtslos“ erscheint. Hier unternimmt der
Autor den Versuch, die Aussichtslosigkeit wie folgt zu definieren: „Offensichtlich aussichtslos ist die
Rechtsverfolgung, wenn die Einleitung eines Verfahrens oder die Verteidigung
gegen ein vom Arbeitgeber eingeleitetes Verfahren von vornherein aussichtlos
erscheinen muss.“ (Rn. 222). Damit ist dem Rechtsanwender wenig bis gar
nicht geholfen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil das BAG eine ausdrückliche
Definition bereithält: „Offensichtlich
aussichtslos ist die Rechtsverfolgung, wenn die Rechtslage unzweifelhaft ist
und das eingeleitete Beschlussverfahren zu einem Unterliegen des Betriebsrats
führen muss“ (vgl. BAG, Beschl. v. 22.11.2017 – 7 ABR 34/16, NZA 2018,
461). Hier wäre zumindest zu erwarten gewesen, dass diese Definition
aufgegriffen wird. Ebenso fällt auf, dass die „Aussichtlosigkeit“ unter dem
fett hervorgehobenen Stichwort „Kosteninteresse des Arbeitgebers“ geführt und
nicht das Stichwort selbst hervorgehoben wird und dementsprechend auch nicht im
Sachverzeichnis zu finden ist. Ebenso vermisse ich in diesem Zusammenhang die
Entscheidung des BAG vom 22.11.2017 – 7 ABR 34/16, wonach ein Betriebsrat auch
dann eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht für erforderlich halten durfte, wenn
durch das Hinausschieben der Rechtskraft eines Wahlanfechtungsantrages der
Eintritt einer betriebsratslosen Zeit verhindert werden sollte. Im Zusammenhang
mit der Frage, ob es einem Betriebsrat zumutbar ist, den Ausgang eines
Parallelverfahrens oder eines Musterprozesses abzuwarten fehlt der Hinweis,
dass diese Frage keineswegs – wie hier der Anschein erweckt wird – unstrittig
ist (vgl. nur GK-BetrVG/Weber, § 40 Rn.
108 m.w.N.).
Etwas Kurioses findet sich noch unter Rn. 365: Dort
wird die Dauer des individuellen Anspruchs auf Schulungs- und Bildungsveranstaltungen
gem. § 37 Abs. 7 BetrVG erörtert. Die entsprechende Vorschrift lautet
auszugsweise: „Unbeschadet
der Vorschrift des Absatzes 6 hat jedes Mitglied des Betriebsrats während
seiner regelmäßigen Amtszeit Anspruch auf bezahlte Freistellung für insgesamt
drei Wochen zur Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen […] Der Anspruch nach Satz 1 erhöht sich für Arbeitnehmer, die
erstmals das Amt eines Betriebsratsmitglieds übernehmen und auch nicht zuvor
Jugend- und Auszubildendenvertreter waren, auf vier Wochen.“ Der Autor
möchte darstellen, wie viele Tage konkret von diesem Anspruch umfasst sind. Mit
der herrschenden Meinung geht er zunächst zutreffend davon aus, dass der
dreiwöchige Anspruch auf Basis einer 6-Tage-Woche einen Anspruch von 18 Tagen
bedeutet. Konsequenterweise sind dies bei dem vierwöchigen Anspruch dann 24
Tage. Bei der Umrechnung auf eine 5-Tage-Woche geht der Autor davon aus, dass
der Anspruch 15 Tage bzw. 21 Tage umfasst. In der Fn. 644 weist er dann
ausdrücklich darauf hin, dass Fitting
im gleichnamigen Kommentar offenbar ein Schreibfehler unterlaufen sei, da
dieser beim vierwöchigen Anspruch von 20 Tagen ausgeht. Indes erschließt sich
wiederum mir nicht, wie der Autor zum Ergebnis von 21 Tagen kommt, wenn man den
Anspruch durch Multiplikation von vier Wochen und jeweils fünf Tagen errechnet
(so auch: GK-BetrVG/Weber, § 37 Rn. 267).
Inhaltlich ist dies natürlich zu verschmerzen und sticht eigentlich nur wegen
des eigenen Hinweises des Autors in der Fußnote sofort ins Auge.
Für künftige Auflagen wäre es wünschenswert, dass
das Werk noch durch einige Muster ergänzt wird. Insbesondere dürfte es im
Interesse von Betriebsräten sein, konkrete Handreichungen für die
Beschlussfassung zu Kostenerstattungen und entsprechende Formulierungshilfen zu
erhalten. Ebenso wäre denkbar, kurze Muster für die gerichtliche Durchsetzung
von Ansprüchen anzubieten, um Betriebsräten im Einzelfall – zur Vermeidung
weiterer Kosten – auch die eigenständige gerichtliche Geltendmachung zu
ermöglichen.
Insgesamt bleibt ein zwiespältiger Eindruck. Mir
großem Interesse hatte ich das Erscheinen des Werkes zu diesem spannenden
Themenfeld erwartet. Positiv ist jedenfalls, dass nunmehr ein Werk vorliegt,
dass einen komprimierten Zugriff bietet. Auch überzeugen wesentliche Teile der
Darstellungen hinsichtlich ihres Informationsgehaltes. Was mir allerdings
fehlt, ist ein echter Mehrwert für die relevante Zielgruppe. Nahezu alle
Informationen kann man so oder so ähnlich auch im Fitting oder GK-BetrVG
nachlesen. Gerade weil das BetrVG eigenständige Normen für die Kosten und
Sachausgaben vorsieht, ist auch der Zugriff im Kommentar ohne Schwierigkeiten
möglich. Im Vergleich zu anderen Werken der „grünen Reihe“ wie „Gestaltung und
Durchführung des BEM“ oder „Mitarbeiterkontrollen“ enthält dieses Werk zu
wenig, was ein eigenständiges Buch rechtfertigt, weswegen für künftige Auflagen
ein Alleinstellungsmerkmal herausgearbeitet werden sollte. Dies könnte in der
Zukunft zum Beispiel – wie angesprochen – durch die Ergänzung von Übersichten
und Muster erreicht werden.