Freitag, 12. Februar 2021

Rezension: Münchener Vertragshandbuch, Bd. 2 Wirtschaftsrecht I

Münchener Vertragshandbuch, Bd. 2 Wirtschaftsrecht I, 8. Aufl., C.H. Beck 2020

Von Rechtsanwalt Florian Decker, Rechtsanwälte Dr. Schultheiß, Saarbrücken

Der Verlag gibt derzeit das Münchener Vertragshandbuch in sechs Bänden und in mittlerweile 8. Aufl. heraus. Diese untergliedern sich im Gesellschaftsrecht, Wirtschaftsrecht I, Wirtschaftsrecht II, Wirtschaftsrecht III, Bürgerliches Recht, I und Bürgerliches Recht II. Im vorliegenden Bd. 2 (Wirtschaftsrecht II) werden vielfältige Muster aus den Bereichen Unternehmenskauf/Unternehmensbeteiligung, Internationales Industrieanlagengeschäft, Vertriebsverträge, Bankrecht, Kreditsicherungen, Finanzierungsverträge, Kartellvertragsrecht, Verträge im öffentlichen Bau- und Erschließungsrecht, Public-Private Partnership und Energielieferungsverträge dargestellt.

In der bei Beck'schen Vertragshandbüchern üblichen Form werden viele verschiedene Konstellationen in Vertragsmustern abgebildet, die in diesen Bereichen regelmäßig auftauchen können. Diese Mustertexte finden sich zunächst am Stück abgedruckt und mit vielerlei Fußnoten versehen. Der Fußnotenapparat folgt im Anschluss und enthält Erläuterungen (mal mehr, mal weniger detailliert) dazu, warum konkrete Regelungen so vorgeschlagen werden, wie das der Fall ist. Zu Regelungen, die wegen gesetzlicher Schranken (AGB-Recht, Kartellrecht, etc.) problematisch sein könnten, werden entsprechende Anmerkungen eingeführt. Hierzu wird auch die einschlägige Rechtsprechung bezeichnet, die die Haltbarkeit einer Regelung gefährden könnte, und so eine weitere Recherche ermöglicht.

Am Beispiel des Alleinvertriebsvertrages unter besonderer Berücksichtigung der Interessen des Vertragshändlers (Muster III.8) lässt sich der Nutzen der Vorgehensweise schön aufzeigen. Im Vertriebsrecht schwingen hier häufig kartellrechtliche Fragen mit, da das Kartellrecht z.B. auch zur Unwirksamkeit von Vertragsabreden führen kann. In diesem Fall nimmt der Autor unter einer Fußnote auf knapp zwei Seiten genau zu dieser Thematik Stellung und verweist darauf, welche Regelungen im Formular hier kartellrechtlich relevant werden können (in diesem Falle das eingeräumte Alleinvertriebsrecht und die vereinbarte Gebietsschutzabrede). Im bewundernswerter Weise wird hier in knappen und doch sicheren und verständlichen Worten, zunächst das Verhältnis des deutschen Kartellrechts zum europäischen Kartellrecht aufgeklärt und klargestellt, um welche Regelungen man sich Gedanken machen muss. Folgerichtig geht der Autor dann nur auf das europäische Kartellrecht näher ein, das zwischenzeitlich in aller Regel auch auf innerdeutsche Verhältnisse anzuwenden ist. In kurzen aber sehr gut nachvollziehbaren Ausführungen wird der Leser in die Problematik eingeführt, die zu den Vertriebsvereinbarungen kartellrechtlich zu erkennen ist, welche in dem vorliegenden Muster getroffen werden sollen. Hierdurch lässt sich zumindest ohne weiteres erfassen, ob in dem durch diesen Vertrag abzudeckenden Lebenssachverhalt ein Kartellrechtsproblem existieren kann und gelöst werden muss oder nicht. Auch Lösungsansätze lassen sich anhand der Tiefe der Ausführungen durchaus bereits finden.

Im Kontext des III.8. geht es dabei natürlich im Wesentlichen um vertikale Vertriebsbeschränkungen. An anderer Stelle (Muster VII. A.1 – leicht über das Stichwortverzeichnis zu finden) finden sich aber auch vergleichbare Ausführungen im Rahmen horizontaler Vereinbarungen im Kartellvertragsrecht.

Das Werk vermag natürlich ein gutes Handbuch zu den berührten Rechtsgebieten nicht zu ersetzen. Allerdings sind solche Hinweise im Kontext zu einem konkreten Vertragsmuster von kaum zu unterschätzendem Wert.

Selbstredend gilt für das vorliegende Werk die gleiche Kritik, die man an jedem Vertragshandbuch oder Vertragsmusterbuch wird üben können, nämlich dass nicht alle im täglichen Leben auftretenden Vertragskonstellationen abgebildet werden, etwa teilweise nur eine Seite eines möglichen Geschäftskonstrukts durch ein Muster beleuchtet wird und eine Bearbeitung von der anderen Seite nicht unterstützt ist, oder auch, dass neue in der Lebenswirklichkeit aufgetretene Konstellationen nicht abgebildet werden. Ergänzungsspielraum besteht hier also natürlich weiterhin. Indes darf man wohl davon ausgehen, dass der Beck-Verlag sich dessen bewusst ist und die Folgeauflagen auch für entsprechende Erweiterungen nutzen wird.

Derweil stellt das heute vorliegende Werk in den abgedeckten Bereichen jedenfalls eine hervorragende Arbeitshilfe dar.