Joecks, Studienkommentar StGB, 11. Auflage,
C.H. Beck 2014
Von Richter am Amtsgericht Carsten Krumm,
Lüdinghausen
Vor genau drei
Jahren hatte ich das Vergnügen, den von Joecks
verfassten Studienkommentar StPO rezensieren zu dürfen. Der hatte mir damals
sehr gut gefallen. Nun ist also der Studienkommentar StGB an der Reihe, der von
der Aufmachung her ähnlich ist. Zunächst stellt sich schon die Frage, warum es
eines Studienkommentars bedarf, wenn es doch einerseits mittlerweile gut
strukturierte StGB-Lehrbücher in großer Zahl gibt und zudem auch die
Kommentarlandschaft im StGB-Bereich deutlich gewachsen ist. Diese Frage
erübrigt sich schon bei einem groben ersten Blick in das Buch. Auf etwa 860
Seiten findet sich eigentlich alles, was ein Student im Laufe seines Studiums
sich an Wissen „draufschaffen“ muss – strukturiert ist dieses Wissen aber kommentarmäßig.
Das Buch ist also eine Synthese aus Kommentar und Lehrbuch – mir gefällt diese
Herangehensweise an das Strafrecht sehr gut.
Zunächst zur
Aufmachung: Das Buch ist tatsächlich genauso wie ein Kommentar strukturiert,
also nach Paragraphen sortiert. Die Buchseiten sind aber großformatig wie in
einem Lehrbuch. Die Kommentierungen sind sämtlich mit Zwischenüberschriften
versehen und enthalten Fettungen von wichtigen Stichwörtern, so dass das
Nachforschen durch Überfliegen der Texte gut möglich ist. Literatur und
Rechtsprechungsnachweise sind vorhanden, jedoch nur in eingeschränktem Maß. In
der Regel werden Standardkommentare, wie etwa der Systematische Kommentar, Lackner/Kühl
oder der Münchener Kommentar zitiert
– weiterlesen zur Wissensvertiefung ist so ohne weiteres möglich, ohne dass der
Text durch ein Überladen an Fundstellennachweisen allzu schwer lesbar wird. Wenn
Zitate oder Beispiele aus der Rechtsprechung angeführt werden, dann sind dies vorwiegend
Entscheidungen des BGH. Wie auch in
anderen Kommentaren finden sich vereinzelt Vorbemerkungen, diese sind aber
deutlich sparsamer verteilt, als vor allem in den Standardkommentaren. Es kommt
also eigentlich nicht vor, dass man in der Kommentierung der aufgesuchten Norm
etwas sucht, was man dann nach viel Hin und Her in einer Vorbemerkung findet.
Alle Kommentierungen weisen dann noch darauf hin, welche der Vorschriften
Pflichtstoff in welchem Bundesland ist. Studenten werden sich hierüber freuen –
natürlich sollten sie sich auch wenigstens in Grundzügen mit den wichtigsten
weiteren Normen auseinander setzen. Was dann noch ins Auge sticht, sind viele
in etwas kleinerer Schriftgröße eingerückte Beispielsfälle, ganz so, wie man es
in guten Lehrbüchern erwartet. Der Kommentar ist somit ein sehr gutes Lehr- und
Lernmittel.
Inhaltlich ist
die Kommentierung aktuell und hochwertig – dies zeigt, warum sich das Buch
nunmehr in 11. Auflage neben starker Lehrbuch- und Kommentarkonkurrenz
behaupten kann.
Das Besondere an
den Kommentierungen ist, dass diese – soweit möglich – so aufgebaut sind, wie
eine gutachterliche Prüfung in Klausur und Hausarbeit an die Norm herangehen
würde. Für Studenten also lohnenswert.
Probehalber habe
ich einmal tiefer in zwei Kommentierungen hineingeschaut. Zunächst in § 25
StGB. 23 Seiten stark sind hier die Erläuterungen zur Täterschaft.
Erwartungsgemäß wird zunächst die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme
dargestellt. Insbesondere Roxins
Klassiker „Täterschaft und Teilnahme“ darf hier nicht fehlen. Joecks stellt dazu dann noch
verschiedene Aufbauschemata für den Klausurfall vor; diese Herangehensweise ist
sehr angenehm, zumal der Autor an keiner Stelle dem Leser seine Meinung
aufdrücken möchte. Systematisch korrekt werden im Anschluss zunächst die unmittelbare
Täterschaft und dann ausführlich die mittelbare Täterschaft erörtert. Selbstverständlich
werden hier auch Klassiker wie etwa der Katzenkönigfall dargestellt. Schließlich
widmet sich Joecks auch der
Mittäterschaft, die er dem Leser in allen klausurrelevanten Verästelungen
nahebringt. Auch werden noch Sonderkonstellationen wie etwa Versuch und
Rücktritt, Täterschaftsfragen bei Fahrlässigkeitsdelikten oder Irrtumsfragen im
Hinblick auf die Täterschaft erörtert. Das notwendige strafrechtliche Handwerkszeug
für das erste Staatsexamen hat man damit sicher zur Hand.
Im BT-Bereich
habe ich mich näher mit dem fast 35 Seiten fassenden § 263 StGB befasst, also
einem Klausur- und Prüfungsklassiker. Hier finden sich zunächst allgemeine
Erläuterungen über die Bedeutung und die Historie der Vorschrift. Interessant
ist dann ein ganz untypischer Punkt im Anschluss, der sich mit der Frage
befasst, welche Normen denn noch in Betracht kommen in Betrugsfällen. Joecks geht hier etwa auf den
Computerbetrug oder die Unterschlagung ein. Sodann wird nach kurzer Darstellung
des Aufbaus der Deliktsprüfung in der Klausurbearbeitung die Norm mit ihren
Voraussetzungen ausführlich erläutert. Typische Fallgruppen, wie der
Dreiecksbetrug, die bewusste Selbstschädigung und natürlich der
Eingehungsbetrug werden eingehend einschließlich der hierzu vertretenen
Meinungen dargestellt. Die Darstellungen sind selbst für langjährige Praktiker
sehr erhellend und sehr angenehm zu lesen, da sich Joecks tatsächlich Mühe gibt, eher zu erklären, als mit zahllosen
Zitaten der Rechtsprechung Einzelfälle abzuarbeiten. Schließlich wendet sich
der Autor dann richtigerweise auch den besonders schweren Fällen zu. Wer danach
immer noch unsicher ist, findet am Ende der Kommentierung noch weiterführende
Literaturstellen angegeben.
Jeder
Student/Referendar, der StGB-Grundwissen erwerben will, und nicht wie üblich
AT- und BT-Bücher und Skripten kaufen will, sollte sich daher durchaus
überlegen, ob er tatsächlich sein Geld nicht sinnvoller in den Kommentar von Joecks investiert und anhand einiger
Praxisfälle in Ausbildungszeitschriften mit Hilfe des Kommentars das Strafrecht
„von der Pike auf“ lernen will. Für konventionell lernende Studenten – die
sicher die Mehrheit der potentiellen Kundschaft darstellen - ist das Buch
freilich ebenso als durchaus sinnvolle Ergänzung zu anderem Lernmaterial zu
empfehlen. Einziger Wermutstropfen: Vorschriften, die nicht kommentiert sind,
sind nicht einmal als Normen abgedruckt. Dies gilt insbesondere für
Rechtsfolgevorschriften wie §§ 38 bis 51 und 56 bis 76a StGB. Auch
Strafantrags- und Verjährungsvorschriften fehlen. Hier sollte m.E. klar
nachgearbeitet werden und zumindest in kleinerer Schrift je ein „Paragrapheneinschub“
her, damit das Buch auch noch nach der Studienzeit als Referendar genutzt
werden kann oder auch in besonderen Ausbildungsabschnitten mit Praxisbezug.
Zudem wird vielleicht auch ein ganz normaler Student sich einmal im Laufe der
Buchlektüre fragen, wie es um eine der fehlenden Vorschriften bestellt ist.
Hier muss dann ergänzendes Lernmaterial her - schade. Trotzdem: Klare
Kaufempfehlung und zwar nicht zuletzt angesichts des moderaten Preises von
nicht einmal 30 Euro.