Jochum
/ Pohl, Nachlasspflegschaft – Ein Handbuch für die Praxis, 5. Auflage, Bundesanzeiger
2014
Von
Rechtsanwalt Andreas Ihns, Fachanwalt für Familienrecht, Lübeck
Jedes Jahr sterben mehr als 800.000
Menschen in Deutschland. Sind die Erben nicht bekannt, kann das Nachlassgericht
eine Nachlasspflegschaft anordnen und einen Pfleger bestellen, der für den
unbekannten Erben den Nachlass verwaltet und sichert. Es ist nicht bekannt, in
wie vielen Fällen jährlich Nachlassgerichte eine Nachlasspflegschaft anordnen.
Der Bund Deutscher Nachlasspfleger schätzt die Zahl auf zwischen 20.000 und
40.000 und geht von einer steigenden Tendenz aus. Die Nachlasspflege ist kein
typisches Tätigkeitsgebiet für Rechtsanwälte, kann aber für den am Erbrecht
interessierten Anwalt gleichwohl eine interessante Ergänzung zur „klassischen“
Anwaltstätigkeit darstellen. Die Tätigkeit ist bisweilen der eines
Nachlassverwalters oder Testamentsvollstreckers vergleichbar und genau hier
liegt der Reiz. Es sind nicht alleine Rechtsfragen zu lösen; den
Nachlasspfleger erwartet vielmehr eine Fülle ganz unterschiedlicher Aufgaben,
von der Feststellung des Nachlasses über dessen Sicherung bis hin zur
Ermittlung der Erben. Für den Anwalt besteht also Bedarf, sich entsprechend weiterzubilden.
Hierbei hilft das nunmehr in 5. Auflage vorgelegte „Handbuch zur
Nachlasspflegschaft“ von Jochum / Pohl, dass wohl als „Klassiker“ in der sehr
überschaubaren Literaturlandschaft zu diesem Thema bezeichnet werden kann.
Im ersten Kapitel erläutern die Autoren,
wie der Nachlasspfleger vom Nachlassgericht in das Amt eingesetzt wird. Neben
den rechtlichen Voraussetzungen für die Einleitung der Nachlasspflegschaft wird
das Verfahren des Nachlassgerichts – von der Einleitung des Verfahrens, über
die Auswahl des Pflegers bis hin zu dessen Kontrolle und Entlassung –
ausführlich dargestellt.
In dem sich anschließenden Kapitel geht
es um die Fragen, die sich jeder Nachlasspfleger nach seiner Bestellung zuerst
stellt: Wie ermittelt und sichert man den Nachlass? Die Autoren bieten hierzu
eine kurze Checkliste und erläutern anschließend Vermögenswerte, die sich
typischerweise in einem Nachlass finden können. Erklärt wird bspw., wie man
Konten feststellt oder Lebens- bzw. Rentenversicherungen ermittelt. Die Autoren
beschränken sich dabei nicht nur auf eine abstrakte Darstellung sondern bieten
Musterschreiben an Banken und benennen Adressen, an die sich der
Nachlasspfleger wenden kann um dem Bankvermögen des Erblassers nachzuspüren.
Weitere Abschnitte befassen sich etwa mit Wohnungsfragen, dem Krankenhaus und
Pflegeheimen und enden mit der Beschreibung der Einreden der §§ 2014, 2015 BGB.
Ist der Nachlass ermittelt, schließt
sich die Verwaltungstätigkeit des Nachlasspflegers an. Die Autoren widmen sich
diesem Tätigkeitsfeld auf über 100 Seiten im dritten Kapitel. Sie erläutern
zunächst die sich im Zusammenhang mit der Verwaltung bestimmter
Nachlassgegenstände (u.a. Mietwohnung, Lebens- und sonstige Versicherungen,
Schmuck, Antiquitäten oder Waffen, Grundstücke) immer wieder stellende Fragen.
Im Anschluss daran widmen sie dem Führen von Nachlasskonten einen breiten Raum.
Zur Verwaltung eines Nachlasses können schließlich das Führen von Prozessen,
die Erfüllung von Pflichtteilen oder Vermächtnissen oder die Nachlassinsolvenz
gehören. Auch dies sind Themen des dritten Kapitels.
Die folgenden Kapitel vier und fünf
befassen sich mit den nachlassgerichtlichen Genehmigungen und den Steuern,
wobei das Steuerrecht nur im Überblick dargestellt werden kann. Für den
Juristen wieder spannend ist das Kapitel sechs zur Erbenermittlung. Erläutert
werden die verschiedenen Ermittlungsmöglichkeiten, etwa über Standesämter,
kirchliche Archive, Suchdienste des DRK oder Schiffspassagierlisten. Auch hier
finden sich wieder neben Mustertexten und Übersichten (u.a. eine sehr
hilfreiche Transkriptionstabelle „Sütterlin“) zahlreiche Anschriften und
Hinweise für die Internetrecherche. Das Werk trägt den Titel „Handbuch für die
Praxis“ gänzlich zu Recht!
Etwas „trockener“ geht es in den Kapitel
sieben (Berichtspflicht) und acht (Vergütung und Aufwendungsersatz) weiter. Die
Darstellung des Vergütungsrechts ist schlicht exzellent und erleichtert (auch) den
Kanzleimitarbeitern erheblich die Abrechnung.
Das Kapitel neun befasst sich mit dem
Erbscheinsverfahren, Kapitel zehn ist der Erbauseinandersetzung gewidmet und
Kapitel elf erläutert die Beendigung der Nachlasspflegschaft. In Kapitel zwölf
stellen die Autoren kurz die Nachlassverwaltung vor und grenzen sie zur Tätigkeit
des Nachlassverwalters ab. Den Abschluss bildet das Kapitel dreizehn über das
gerichtliche Verfahren in Nachlasspflegschaftssachen.
Die „Nachlasspflegschaft“ von Jochum/
Pohl hat den Anspruch, ein „Handbuch für die Praxis“ zu sein. Ich hatte bereits
oben ausgeführt, dass die Autoren diesem Anspruch in jeder Hinsicht inhaltlich
gerecht werden. Auch die formelle Gestaltung des Handbuchs erfüllt das in dem
Untertitel gegebene Versprechen: Jedem Kapitel ist ein ausführliches
Inhaltsverzeichnis vorangestellt, wodurch die Arbeit mit dem Buch erheblich
erleichtert wird. Auf die zahlreichen Mustertexte und Checklisten, die in den
Text eingearbeitet und grau hinterlegt sind, hatte ich bereits hingewiesen. Im
Anhang des Buches findet sich u.a. ein ausführliches Literaturverzeichnis mit
vielen guten Hinweisen für eine vertiefende Lektüre zu einzelnen Fragen sowie
ein detailreiches Stichwortverzeichnis. Was für mich den besonderen Wert des
Handbuchs letztlich ausmacht ist die Tatsache, dass die Autoren effektive
Lösungen für viele, sich im Rahmen der Nachlasspflegschaft stellende Fragen (insbesondere
Kapitel 2, 3 und 6) anbieten. Der Leser ist so in der Lage, die Erfahrungen der
Autoren für seine eigenen Fälle nutzbar zu machen.
Kurzum: Den Autoren – beides
praxiserfahrene Rechtsanwälte – gelingt es auf hervorragende Weise, ihr in
langjähriger Berufspraxis erworbenes Wissen rechtlich zu durchdringen und in
ihrem Handbuch auf fast 800 Seiten gut lesbar darzustellen. Jedem an der
Nachlasspflegschaft interessierten Berufskollegen sind zwei Dinge dringend ans
Herz zu legen: Eine kritische Prüfung der eigenen Haftpflichtversicherung und
die Anschaffung des Jochum/ Pohl.