Salgo
/ Zenz / Fegert / Bauer / Weber / Zitelmann [Hrsg.], Verfahrensbeistandschaft –
Ein Handbuch für die Praxis, 3. Auflage, Bundesanzeiger 2014
Von
Richter am Amtsgericht Carsten Krumm, Lüdinghausen
„Verfahrensbeistandschaft – Ein Handbuch
für die Praxis“ - dieser Titel sagt letztlich alles über die dritte Auflage
dieses mittlerweile auf über 700 Seiten angewachsenen Werkes. Die 22 Autoren
des Handbuchs haben sich erkennbar Mühe gegeben, alle Facetten der
Verfahrensbeistandschaft in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht in dem Buch
zu erfassen und abzuhandeln. Alle mit dem Thema „Familiensachen“ befassten
Professionen sind dabei „ins Boot“ geholt worden: Richter, Professoren,
Rechtsanwälte, Ärzte, Psychologen und Pädagogen. Zunächst stellt sich daher die
Frage, an wen das Buch überhaupt gerichtet ist. Zwar werden das Gericht,
Anwälte und Jugendamtsmitarbeiter es sicher gut verwenden können - primär ist
es aber tatsächlich für Verfahrensbeistände geschrieben, denen mit dem Buch ein
ordentliches Handwerkszeug an die Hand gegeben wird.
Dieser Intention entsprechend ist das
Buch auch aufgebaut. Nach einer Vorstellung der Autoren und dem obligatorischen
Abkürzungsverzeichnis findet sich neben einem gut strukturierten
Inhaltsverzeichnis zunächst in einem ersten Teil Allgemeines zur Entstehung und
Entwicklung der Verfahrensbeistandschaft. Für Leser dieser Rezension, die sich
mit der Problematik nicht weiter auskennen, ist auf den oft auch
umgangssprachlich zu gehörenden Begriff „Anwalt des Kindes“ im Familienverfahren
zu verweisen. Einfach gesagt handelt es sich bei dem Verfahrensbeistand um
einen vom Gericht bestellten und somit gegenüber den anderen Beteiligten
neutralen Interessenvertreter des Kindes im Verfahren – dessen Partei soll er
ergreifen.
Der bereits genannte allgemeine erste
Teil des Buches richtet sich vor allem an Verfahrensbeistände, die gerade im
Berufsbeginn begriffen sind. Auch für Personen, die sich als Verfahrensbeistand
erst in einiger Zeit vorbereiten wollen, ist diese Einführung sicher von
Interesse. Für die Alltagspraxis eines bereits tätigen Verfahrensbeistands
können diese Seiten zunächst getrost beiseitegelassen werden.
Im zweiten Teil wird das Buch kann schon
konkreter. Es geht um die gesetzlichen Grundlagen des Verfahrensbeistandes,
also um die beiden Verfahrensbeistandschaft nach § 158 FamFG und nach §§ 167
Abs. 1 S. 2, 317 FamFG. Eine ausführlichere Darstellung dieser gesetzlichen
Grundlagen als in dem vorliegenden Buch wird man nirgends finden, auch nicht in
größeren Kommentaren. Auf etwa 80 Seiten schildert der Autor Axel Bauer etwa
unter ausführlicher Darstellung der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur
das juristische Handwerkszeug des Verfahrensbeistandes. Ebenfalls in diesem
Abschnitt findet sich eine Darstellung des materiellen Kindschaftsrechts, also
insbesondere eine Darstellung von Sorgerechtsfragen, hiermit zusammenhängenden
Grundfragen wie dem Kontinuitätsgrundsatz oder der Bindungen des Kindes
innerhalb der Familie. Fragen des Umgangs-und Auskunftsrechtes werden ebenso
erläutert, wie die Kindesherausgabe nach § 1632 BGB oder Probleme von
Pflegekindschaftsverhältnissen. Was die Rechtsprechungsnachweise angeht sind
diese ausweislich einer stichprobenartigen Überprüfung auf aktuellem Stand. In
erster Linie werden alle zitierten Entscheidungen - wie in der
familienrechtlichen Standardliteratur auch sonst üblich - als FamRZ-Fundstellen
wiedergegeben. Für Verfahrenspfleger ohne juristische Ausbildung hätte sich
gegebenenfalls empfohlen, jeweils auch Datum und Aktenzeichen der zitierten
Entscheidungen anzuführen, damit diese durch eine einfache „google“-Suche
gefunden werden können. Aufgefangen wird dies zum Teil aber durch den Buchteil
C am Ende des Buches, in dem die wichtigsten obergerichtlichen Entscheidungen
zu § 158 FamFG als Leitsatz mit Entscheidungsdatum, Aktenzeichen und
Fundstellen dargestellt sind. Dieser Anhang macht etwa 30 Seiten des Buches
aus.
Der dritte Buchteil enthält Beiträge aus
Pädagogik, Psychologie, Kinder-und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie. Er
ist fast 200 Seiten stark und ist von seinem Inhalt her bei einem bloßen
Überfliegen und Querlesen, wie es bei einer Rezension üblich ist, für den
Unterzeichner kaum hinsichtlich der Qualität der Darstellungen zu überprüfen.
Bei stichprobenartigem Lesen kann man aber feststellen, dass sich die
beteiligten Autoren durchaus Mühe gegeben haben, die Darstellungen aus ihrem
Fachbereich so aufzubereiten und sprachlich zu gestalten, dass auch andere Professionen,
die im Bereich der Verfahrensbeistandschaft tätig sind, die Texte gut verstehen
können. Interessant schienen auf den ersten Blick bei einem Durchlesen etwa die
Darstellungen zu der Diagnostik bei Verdacht auf Kindesmisshandlung,
Vernachlässigung und sexuellen Missbrauch (Rn. 872 ff.) und auch die immer wieder
anzutreffende Thematik von Trennung-und Verlustsituationen (Rn. 993 ff.). Der
Verfasser dieser Rezension hierzu sicherlich in den nächsten Wochen gerade
diese Bereiche des Buches nochmals intensiv lesen.
Teil vier ist aus juristischer Sicht
wieder handfester. Es handelt sich um eine Darstellung der Rechtsstellung des
Kindes in gerichtlichen Verfahren. Hier wird zum einen auf etwa 50 Seiten das
Gerichtsverfahren dargestellt. Hilfreich für Neulinge im Bereich des
familiengerichtlichen Verfahrens ist etwa eine Abbildung über den normalen
Ablauf eines Hauptsacheverfahrens in Kindschaftssachen (Rn. 1500). Hier kann
beginnend mit dem Antrag bzw. Anregung das gesamte Verfahren in einem Schaubild
durchlaufen werden bis hin zu einer eventuellen Rechtsbeschwerde zum
Bundesgerichtshof bzw. einer Verfassungsbeschwerde zum
Bundesverfassungsgericht. Für das Eilverfahren findet sich in der nächsten
Randnummer eine entsprechende Darstellung. Von zunehmender Bedeutung scheint
dann noch das gerichtliche Verfahren mit Auslandsbezug, das in einem nächsten
Unterabschnitt behandelt wird. Hier werden zunächst die internationalen Normen
zu dieser Problematik dargestellt, so etwa das Haager
Kinderschutzübereinkommen. Probleme der Vollstreckung und der
Verfahrensbeistand in Verfahren mit Auslandsbezug werden richtigerweise
ebenfalls in den Mittelpunkt der Darstellungen gerückt.
Für die alltägliche Praxis ganz wichtig ist
dann der Teil 5 „Aufgaben, Rechte und Pflichten des Verfahrensbeistands“.
Zunächst befassen sich die Autoren hierin mit der Darstellung der Standards für
die Interessenvertretung von Kindern und Jugendlichen. Gemeint sind hiermit
zunächst Empfehlungen, die von der Mitgliederversammlung der BAG
Verfahrenspflegschaft für Kinder und Jugendliche im Jahre 2001 erstellt wurden
und die noch heute uneingeschränkte Geltung haben. Die Standards befassen sich
so etwa mit der Eignung des Verfahrensbeistands, dessen Verhältnis
(insbesondere den persönlichen Kontakt) zum Kind, mit den grundsätzlichen
Arbeitsprinzipien bzw. der Vorgehensweise bei der Interessenvertretung und
schließlich auch mit der Vertretung der Kinderinteressen im Verfahren. Zudem
finden sich aktuelle deutlich kürzer gefasste Standards aus 2012, die die neue
Rechtslage seit Inkrafttreten des FamFG berücksichtigen. Anhand dieser letzten
aktualisierten Standards werden dann typische Fallkonstellationen dargestellt,
die dann jeweils einer Lösung zugeführt werden. Es finden sich hier etwa für
normale Sorgeverfahren, aber auch Unterbringungsverfahren typische
zusammenfassende Vermerke über die Situation des jeweils betroffenen Kindes.
Aus richterlicher Sicht ist dies freilich eine vorwiegend unjuristische
Materie, in der es um Kontaktaufnahme Fragen geht, um mögliche Ermittlungen und
Darstellungen von Entwicklungen des Kindes und auch um Fragen wie die des „Andockens“
des Kindes bei dem Verfahrensbeistand oder anderen Beteiligten. Gleichwohl sehr
interessant zu lesen, da eine ganz andere Herangehensweise an die Falllösung
dargestellt wird, als sie einer typisch richterlichen Tätigkeit entspricht. In
den weiteren Darstellungen finden sich dann Kapitel zu dem Verhältnis des
Verfahrensbeistandes zu den einzelnen anderen Verfahrensbeteiligten, also
insbesondere zu Eltern, dem Jugendamt oder den Sachverständigen. All diese
Darstellungen werden vor allem Berufsanfängern, die sich unsicher darüber sind,
wie sie - unabhängig von gesetzlichen Vorschriften - weiter vorzugehen haben,
eine gute Hilfe sein. Gleiches gilt für den großen letzten Buchbereich, der
sich mit der Organisation und Vergütung befasst. Es wird hier - ganz praxisnah
- dargestellt, was rundherum, seitab der eigentlichen Falllösung zu beachten
ist, nämlich z.B. bei Abrechnung der Tätigkeit und bei der Einlegung von
Rechtsmitteln.
Weiterhin gut gefällt der Anhang des
Buches. Hier finden sich die für die Verfahrensbeistandschaft notwendigen
gesetzlichen Vorschriften, worüber insbesondere die nichtjuristischen
Verfahrensbeistände sich freuen werden, müssen sie sich doch nicht im Internet
auf die Suche nach den maßgeblichen Normen machen. Auch andere
Gesetzesmaterialien sind vorhanden. Schließlich findet sich noch die bereits
erwähnte Rechtsprechungsübersicht zu § 158 FamFG. Hilfreich für die Praxis sind
auch einzelne Schriftsatzmuster am Buchende. In diesem Bereich könnte aber noch
durchaus in der nächsten Auflage eine deutliche Erweiterung stattfinden. Gerade
neu beginnende Verfahrensbeistände würden sich sicher über Muster freuen, etwa über
typische Beispielsstellungnahmen von Verfahrensbeiständen oder weitere Anschreiben
im Verfahren, etwa an Schulen, Kindergärten, Pflegeeltern oder auch Heime.
Jeder/Jedem, der den Beruf des
Verfahrensbeistands ergreifen will ist so zu raten, sich dieses Handbuch
anzuschaffen, um einen reibungslosen Berufseinstieg zu ermöglichen.