Kindhäuser / Neumann
/ Paeffgen (Hrsg.), StGB, 5. Auflage, Nomos 2017
Von Dr. Torsten Obermann, RiAG, Münster
/ Lüdinghausen
Da
liegt er also: Der Nomos Kommentar zum StGB, nunmehr schon in der 5., fest
gebundenen Auflage. Schon äußerlich ein riesiges Werk in drei Bänden. Schon der
Allgemeine Teil umfasst knapp 3.000 eng beschriebene Seiten, hinzu kommen dann
die zwei Bände des Besonderen Teils mit je ca. 2.400 Seiten. Die inhaltliche
Wucht des Kommentars zeigt sich schon daran, dass trotz des gewaltigen Umfangs
auf Überflüssiges verzichtet wurde: Abgesehen von einem einseitigen Vorwort fehlen
Einleitung, Danksagungen und selbst auf eine Übersicht der Autoren der
einzelnen Kommentierungen wurde verzichtet.
Die
Autoren werden auf dem Vorblatt nur alphabetisch aufgelistet. Dem Vorwort ist zudem
noch zu entnehmen, dass der Autorenkreis im Wesentlichen stabil geblieben ist. Angesichts
der bei der Mitarbeit an diesem Werk versammelten Elite der deutschen
Strafrechtslehrer erübrigt sich in allerdings der Tat fast jede weitere Bemerkung.
So werden die Normen des StGB u.a. von Puppe,
Frister, Vormbaum, Gaede, Toepel, Zieschang, Kargel, Ostendorf und Saliger
kommentiert. Die Bearbeitungen des leider verstorbenen Hassemer werden von Neumann
fortgeführt.
Schon
diese Auswahl aus dem rund 35 renommierte Hochschullehrer umfassenden Autorenteam,
in deren Zusammenhang natürlich auch die Herausgeber nicht unerwähnt bleiben
dürfen, zeigt, dass das Werk seinen im Vorwort angemeldeten Anspruch auf
Wissenschaftlichkeit in jedem Teil einlösen kann.
Der
wissenschaftliche Tiefgang der Bearbeitung zeigt sich wahrscheinlich am augenfälligsten
bei den Normen des Allgemeinen Teils, wo sich dogmatische Auseinandersetzungen
um das Wesen des Strafrechts in besonderer Weise konzentrieren. Gerade hier
steht der Kommentar in der Bearbeitungstiefe den klassischen großen Strafrechtslehrbüchern
in nichts nach.
Hervorzuheben
ist in diesem Zusammenhang natürlich die groß angelegte Kommentierung von Puppe, die in den umfassenden Vorbemerkungen
zu § 13 die Ergebnisse ihrer langjährigen Forschungsarbeit zur allgemeinen „Lehre
vom Verbrechen“ umfänglich aber komprimiert zusammenfasst. Die komplexen
Gedankengänge werden hier gut nachvollziehbar und eminent lesbar, bisweilen
sogar etwas humorig (z.B. die Bezeichnung ihrer Kausalitätslehre als
„puppenleicht“) ausgebreitet. Hier werden die großen Fragen um Sinn und Grenzen
des Strafrechts, der Definition und der Zurechnung von Unrecht und Schuld in mustergültiger
Weise durchgesprochen. Die kaum zu überschätzender Qualität der Ausführungen Puppes setzt sich bei ihrer Behandlung
der Fragen von Vorsatz und Fahrlässigkeit nahtlos fort. Spätestens hier zeigt sich
zudem die zweite Kernkompetenz des Kommentars in besonderer Weise: die umfassende
Darstellung der aktuellen Rechtsprechung und Literatur nebst kritischer
Durcharbeitung.
Ähnlich
grundsätzliche Bedeutung wie die Ausführungen Puppes haben hat die Auseinandersetzungen mit Gesichtspunkten der
Rechtswidrigkeit in den Ausführungen von Paeffgen/Zabel
(Vorbemerkungen zu § 32) und mit den Rechtsfolgen der Tat in der Kommentierung
von Dünkel (§ 38). Hier werden in
großem Umfang auch rechtsvergleichende und rechtstatsächliche Erkenntnisse und
Untersuchungen ausgewertet und in übersichtlichen Tabellen dargestellt.
Wichtig
auch für den Praktiker ist, dass die Kommentierung der Strafzumessungsgrundsätze
durch Albrecht (§ 46) übersichtlich
sowohl die gesetzliche Regelung als auch deren Lücken darstellt. So dürfte es
Gerichten durch Heranziehung des Kommentars gelingen, Fehler gerade in diesem anfälligen
Bereich zu vermeiden. Verteidiger vermögen mit dem Werk dagegen Fehler des
Gerichts zielstrebig aufzufinden und zu rügen.
Schon
der Natur der Rechtsmaterie ist es geschuldet, dass bei der Kommentierung der
Normen des Besonderen Teils die Dogmatik etwas hinter den Praxisbezug zurücktritt.
Doch bleibt die Auswertung von Literatur und Rechtsprechung selbstverständlich
auch in diesem Bereich so umfassend und aktuell, wie dies das gesamte Werk
auszeichnet.
So
werden beispielsweise bei der Kommentierung der Tötungsdelikte von Neumann/Saliger im Rahmen der
Darstellung des Mordparagraphen (§ 211) sämtliche Fallgruppen z.B. der schwierigen
Mordmerkmale der niedrigen Beweggründe und der Heimtücke genauso übersichtlich
dargestellt wie ausführlich kritisch beleuchtet. Fragen der Revisibilität
tatrichterlicher Feststellungen werden in diesem Zusammenhang erörtert, ebenso
die Lösungen auf der Rechtsfolgenseite. Schließlich werden auch die
Teilnahmeprobleme beim Mord ausführlich untersucht. Bei der Kommentierung zu §§
216, 217 werden die aktuellen Diskussionen um die Abgrenzung von Selbsttötung
und Fremdtötung ebenso klar aufgezeigt, wie das kriminalpolitische und
verfassungsrechtliche Meinungsbild und Reformbestrebungen.
Bei
den Verkehrsdelikten, um ein weiteres praxisrelevantes und dynamisches Gebiet
des Strafrechts herauszugreifen, werden nicht nur die dogmatischen Grundlagen der
einzelnen Straftatbestände und ihr jeweiliger Anwendungsbereich klar herausgearbeitet
sondern auch die hier besonders für den Praktiker relevante Kasuistik durch
eine umfassende und aktuelle Rechtsprechungsauswertung strukturiert und übersichtlich
dargestellt.
In
äußerlicher Hinsicht ist der Kommentar nicht weniger empfehlenswert. Auch wenn,
wie eingangs dargestellt, auf Überflüssiges verzichtet wird, wird doch der
Service für den Leser stets in den Vordergrund gestellt. Die gut verständlichen,
klar formulierten und – aufgrund der Ausgliederung der vielen Fundstellen in
Fußnoten – auch optisch gut erfassbar geschriebenen Texte sind übersichtlich
gegliedert und mit Randnummern versehen. Durch Fettdruck hervorgehobene
Schlagworte erleichtern die Orientierung ebenso wie einleitende
Literaturverzeichnisse, Gliederungen und abschließende, ausführliche
Stichwortverzeichnisse.
Zusammenfassend
wird der Kommentar mit dieser Auflage seinen Rang unter den Großkommentaren des
Strafrechts nicht nur sichern, sondern noch ausbauen können. Sowohl in der
wissenschaftlich-dogmatischen Arbeit als auch in der Praxis ist das Werk schon seit
vielen Jahren nicht mehr wegzudenken. Dies wird sicherlich so bleiben!