Samstag, 12. Oktober 2019

Rezension: Leitfaden für die juristische Promotion

Martens, Leitfaden für die juristische Promotion, 1. Auflage, De Gruyter 2019

Von Dr. jur. Michael Höhne, Frankfurt am Main



Die Promotionsordnungen zur juristischen Promotion unterscheiden sich in Deutschland in weiten Teilen nicht wesentlich voneinander. Trotzdem existiert kein vorgegebener oder bereits geebneter und einheitlicher Weg für alle juristischen Promotionen. Vielmehr ist gerade Sinn einer Promotion, dass ein Produkt entsteht, das so noch nicht existiert, und Gedanken enthält, die bis dato noch nicht gedacht (bzw. jedenfalls nicht niedergeschrieben) wurden.

Insoweit ist es wenig überraschend, dass auch innerhalb der kleinen Auswahl von Monographien zur Thematik „Juristische Promotion“ sehr unterschiedliche Schwerpunkte gebildet werden: Während Martens etwa umfassend die unterschiedlichen Methoden, die einer Doktorarbeit zugrunde liegen können, beleuchtet (S. 33-49), widmet sich Beyerbach (Die juristische Doktorarbeit, 3. Aufl. 2019, S. 154-214) sehr ausführlich dem Zitieren von Quellen. Demgegenüber wird den Gründen für eine Promotion bei von Münch/Mankowski (Promotion, 4. Aufl. 2013, S. 24-36) auffällig viel Platz eingeräumt. Es zeigt sich, dass eine Thematik von verschiedenen Menschen mit verschiedenen Zielrichtungen bearbeitet werden kann, sodass unterschiedliche Endprodukte entstehen. Diese Beobachtung lässt sich gewissermaßen auch auf die juristische Promotion übertragen: Nicht immer ist ein (äußerer) Wandel erforderlich, um eine monographische Aufarbeitung einer Rechtsfrage zu rechtfertigen. Gleichwohl entstehen viele juristische Fragestellungen aufgrund eines Wandels etwa der Gesetzeslage (S. 22 ff.).

Ein Buch zu schreiben, mit dem möglichst viele (zukünftige) Doktoranden gewinnbringend arbeiten können, stellt generell ein ambitioniertes Unterfangen dar. Dies gelingt Martens in sehr überzeugender Weise. Eine wesentliche Stärke des rezensierten Buches ist dabei die Systematisierung der Vielfalt an Ausgangspunkten und im Rahmen der Promotion auftretenden Frage- und Problemstellungen. Auch wenn jeder Doktorand einen individuellen Weg geht, der häufig gewisse Unwägbarkeiten und Unvorhersehbarkeiten bereithält, gelingt es Martens, ein zumindest in Einzelaspekten verallgemeinerndes Bild zu zeichnen. Dadurch dürfte die Mehrheit der Doktoranden in dem Buch ausreichende Hilfestellungen finden. Naturgemäß sind nicht alle Ausführungen für jeden Doktoranden relevant: So entfaltet etwa das Thema Themenfindung (S. 14 ff.) keine Relevanz für Doktoranden, die ein vom Doktorvater maßgeschneidertes Thema zugewiesen bekommen (siehe auch S. 17). Es gibt es nur wenige thematische Bereiche, die in weiteren Auflagen zusätzlich oder prominenter gestellt werden könnten:

Martens suggeriert etwa – fast durchweg (anders etwa S. 103) –, dass der Weg des Doktoranden beim Doktortitel endet. Sehr passend ist insoweit das Titelbild des Buches: ein Mast, an dem auf Wegweisern in alle bzw. vier Richtungen in Richtung „Dr. jur.“ gezeigt wird. Generell führen nicht alle Wege zum Doktortitel. Insbesondere aktuelle Themen beinhalten die Gefahr, dass eine andere Person das gleiche Thema schneller und vollumfänglich ausleuchtet. Es kann dann an promotionswürdigen neuen Erkenntnissen (dazu S. 6 f.) fehlen. Auch kann es durchaus sein, dass ein Doktorand im Laufe der Promotionsphase merkt, dass man sich mit dem Vorhaben übernommen hat. Es existieren viele Gründe dafür, die Promotion vorzeitig zu beenden. Der Mensch neigt gleichwohl dazu, an der Entscheidung, zu promovieren, festzuhalten, allein weil schon Arbeit aufgewendet wurde (sunk cost fallacy oder eskalierendes Commitment). Eine solche Situation kann in einer menschlichen Tragödie enden. Mithin könnte der – eher auf Durchhalteparolen und Motivation bedachten – Teil zur Krisenbewältigung (S. 94 ff.) um eine Anleitung zur ehrlichen Reflexion erweitert werden (vgl. etwa zu unvollendeten Dissertationen von Münch/Mankowski, Promotion, 4. Aufl. 2013, S. 107 ff.).

Hilfreich wäre es für viele Doktoranden sicherlich auch, von einem erfahrenen Wissenschaftler Hinweise und Abstrahierungen zu mündlichen Prüfungen zu erfahren. Anders als sonst im Buch üblich, beschränkt Martens sich insoweit auf einen verallgemeinernden Satz, der keine Hilfestellung enthält (S. 106: „In jedem Fall sollten Sie sich sorgfältig vorbereiten.“). Auch wenn sich die Arten der mündlichen Prüfung je nach Promotionsordnung voneinander unterscheiden, dürften allgemeine bzw. verallgemeinernde Hinweise möglich und sinnvoll sein. Wenig bahnbrechend aber nützlich dürfte etwa ein Hinweis darauf sein, dass die gezielte Auseinandersetzung mit Erst- und insbesondere auch Zweitgutachten eine Disputation umfassend erleichtern kann: Aus den Gutachten lassen sich die (zu erwartenden) Fragen teilweise wortgenau vorhersagen. Gerade vor dem Hintergrund von in den Gutachten geübter Kritik können eine Disputation und die darin enthaltene Diskussion insbesondere dann in eine bestimmte Richtung geleitet werden, wenn der Doktorand mithilfe eines Kurzvortrages in seine Bearbeitung einleiten darf.

Ein weiter Hinweis sollte zukünftig erfolgen. Der Hinweis ist zwar kurz, aber (finanziell) sehr erheblich: Die VG Wort vergibt nicht nur Druckkostenzuschüsse für herausragende Arbeiten (dazu S. 108), sondern schüttet auch Geld an Autoren aus, die einen Wahrnehmungsvertrag abschließen. Für eine 2019 erschienene Monographie erhält der Autor üblicherweise 1.900 Euro (siehe https://www.vgwort.de/publikationen-dokumente/quoten-uebersicht.html Stand: 30.09.2019).

Abschließend lässt sich konstatieren: Das Buch liefert mit leicht verständlicher Sprache viele sinn- und wertvolle Hinweise für angehende Doktoranden sowie bereits Promovierende. Die Lektüre ist sehr gewinnbringend, da (fast) alle Aspekte der Promotion mit geschultem Blick beobachtet wurden und im Buch präzise und nachvollziehbar dargestellt werden. Nicht berücksichtigt wird gleichwohl die mittlerweile auch teilweise für Juristen vorhandene Möglichkeit einer kumulativen Dissertation (siehe etwa § 2 Abs. 5 der Promotionsordnung des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main: https://www.jura.uni-frankfurt.de/57552685/UniReport_PromO_Veroeffentlichung.pdf Stand: 30.09.2019). Es wäre erfreulich, wenn auch diese Variante der Promotion in Zukunft durch die Hilfestellungen eines Experten leichter zugänglich und verständlicher gemacht würde.